Ist das Natur, oder kann das weg? 

Naturschutz spielt in Nauen kaum eine Rolle. Es gilt: Hauptsache Bauen. Mit dem neuen Flächennutzungsplan (FNP) für die Kernstadt werden ca. 1.000.000m² Flächen neu überplant.

Der größte Teil davon liegt im Außenbereich und ist bislang unverbaut. Nach dem Baugesetz und Naturschutzgesetz sind Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft im Zuge von Eingriffen, welche durch die Bauleitplanung vorbereitet werden, auszugleichen und/oder zu ersetzen. Wie sich auf der letzten Sitzung des Ausschusses für Bauen und Umweltschutz am 27.01.2022 herausgestellt hat, ist der Bürgermeister dieser gesetzlichen Aufgabenstellung in den über zwei Jahren des Verfahrens nie ernsthaft nachgegangen. Wird der Landkreis dieses Verhalten decken?

Der von der Verwaltung erarbeitete Beschlussvorschlag zum FNP-Kernstadt kommt im Umweltbericht zu dem Ergebnis, dass zum Ausgleich der Versiegelung des Bodens durch die vielen neuen und großen Bauflächen insgesamt 78 Hektar benötigt werden. Weiterhin wurden 41 Hektar an Ausgleichs- und Ersatzflächen für die Zerstörung von Lebensräumen streng geschützter Vögel wie z.B. Schleiereule, Wendehals und Goldammer, Reptilien wie der Zauneidechse oder seltener Fledermausarten wie z.B. dem großen Mausohr oder dem großen und kleinen Abendsegler, errechnet. Wir reden insgesamt von einer Fläche, die der Größe von ca. 170 Fußballfeldern entspricht.

Der von der Stadt beauftragte Umweltplaner, Herr Janotta aus Berlin, hat nun im zuständigen Fachausschuss erklärt, dass er keinen Auftrag hatte, sich um geeignete Ausgleichsflächen zu kümmern. Natur- und Umweltschutz ist ein Punkt, wo die Fraktion aus Ländlicher Wählergemeinschaft und Bauern (LWN+B) ausnahmsweise mal gerne spart. Dem Umweltplaner wurde gesagt, er solle lediglich Festsetzungen aus alten Plänen übernehmen, ohne dabei auch nur ansatzweise zu prüfen, ob diese Flächen zumindest theoretisch für Ausgleichsmaßnahmen in Frage kommen können. Von konkreter Eignung und praktischer Verfügbarkeit der Flächen wollen wir hier noch gar nicht reden. Also wurde eine Liste mit Ausgleichsflächen zusammengeschrieben, welche auf stolze 276 Hektar an Ausgleichsflächen in Nauen kommt: Thema erledigt?

Offensichtlich nicht. Trotz des riesigen Überhangs an Ausgleichsflächen auf dem Papier schlägt der Umweltplaner in einer internen E-Mail an die Stadt, welche nur durch eine Akteneinsicht ans Licht gekommen ist, am 21.01.2021 Alarm: Das Angebot an Ausgleichsflächen sei nicht ausreichend.

Der Planer schlägt eine Reduzierung der vielen neuen Bauflächen vor. Die Untere Naturschutzbehörde (UNB) schreibt in ihrer Stellungnahme vom 29.01.2021 zum vorgelegten Planentwurf, dass die vorgesehenen ca. 30 ha nordwestlich des Bahnhofs bereits weitgehend für Ausgleichsmaßnahmen genutzt wurden und eine Fläche nördlich des Gewerbegebiets von knapp 60 ha kein intensiv genutztes Ackerland ist. Die UNB vermutet einen Darstellungsfehler, denn auf dieser Fläche befindet sich eine ökologisch wertvolle Luchlandschaft mit Sträuchern und Bäumen. Trotz dieser ausdrücklichen Hinweise durch den Landkreis werden die falschen Angaben in der aktuellen Beschlussvorlage nicht korrigiert, noch werden diese Hinweise durch die Stadt in irgendeiner Form abgewogen.

Die Fraktion SPD/LINKE/GRÜNE/Bunte Liste hat dies zum Anlass genommen, sich auch die anderen größeren Flächen für Ausgleichsmaßnahmen einmal näher anzuschauen. Die größte Ausgleichsfläche mit 80 ha liegt südlich der B5. Hier werden sogar auf der Karte in der Beschlussvorlage Teilflächen rot markiert und mit dem Hinweis versehen, dass diese Flächen nicht für Ausgleichsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Was aber noch schwerer wiegt, ist der Umstand, dass hier hochwertige Ackerböden existieren, die durch Umweltmaßnahmen der Landwirtschaft verloren gehen. Im Regionalplan 3.0 werden aktuell gerade solche Flächen als Vorrangflächen für die landwirtschaftliche Nutzung festgesetzt, ausdrücklich mit dem Ziel, eine Umwandlung in Ausgleichsflächen zu verhindern. Ähnliches gilt auch für die letzte große Ausgleichsfläche mit 63 ha zwischen B5 und Neukammer. Auch hier gibt es sehr gute Ackerböden und darüber hinaus umfasst diese Fläche besiedeltes Gebiet und Wege mit Staudenfluren u.ä. Von den 276 ha bleiben am Ende noch gerade 43 ha an theoretisch möglichen Ausgleichsflächen übrig. Ob und in welchem Umfang diese Flächen nicht ebenfalls schon für Ausgleichsmaßnahmen genutzt wurden, entzieht sich unserer Kenntnis. Und selbst wenn diese Flächen theoretisch noch zur Verfügung stehen, stellt sich natürlich noch die Frage, ob die Eigentümer überhaupt bereit sind, diese Flächen zu verkaufen oder langfristig zu verpachten.

Dazu der Fraktionsgeschäftsführer und Vorsitzender des Bauausschusses, Raimond Heydt: "Der vorliegende Beschlussvorschlag zum FNP-Kernstadt ist der größte geplante Eingriff in die Umwelt und Natur in der Geschichte von Nauen. Dass der Bürgermeister meint dies machen zu können, ohne sich vorher zu überlegen, wie der Verlust von Lebensräumen so vieler seltener und geschützter Tiere und Pflanzen kompensiert werden kann, erschüttert mich. An diesem Punkt erkennt man, was es bedeutet, wenn ein Berufsstand die Stadt dominiert, welcher Kastenstand und Kükenschreddern als legitimes Mittel der Profitmaximierung ansieht.“

Die Fraktion SPD/LINKE/GRÜNE/Bunte Liste ist für sinnvolles und verträgliches Wachstum und für einen dementsprechenden Flächennutzungsplan für die Kernstadt. Aber wir erwarten, dass vor der Beschlussfassung ein tragfähiges Ausgleichskonzept erstellt wird. Dieses Konzept muss sicherstellen, dass für die konkret durch die Planungen bedrohten Tiere und Pflanzen geeignete neue Lebensräume geschaffen werden können und diese rechtzeitig vor Beginn irgendwelcher Arbeiten auch ihre funktionale Wirkung zum Schutz der jeweiligen Art entfalten. Ferner fordern wir, dass zum Ausgleich der geplanten großflächigen Versiegelung ausreichend Flächen durch die Stadt gesichert werden, welche konzeptionell unterlegt die Vernetzung bestehender Biotope stärkt und die Landschaft im Sinne ihres Naherholungswertes für den Menschen aufwertet.